Die Nacht der Klischees und platten Unterhaltung

Das Beste an der Show war vermutlich das Lichtkonzept, das zwar recht schlicht und  simpel gehalten wurde, aber als einziges beinahe reibungslos funktionierte. Einziger Störfaktor war der Umstand, dass die Verfolger des öfteren die hinteren Scheinwerfer anstatt nur die Darsteller beleuchteten, und somit die Wirkung des Lichtdesigns schmälerte. Die Kostüme waren bis auf wenige Ausnahmen lieblos, wirkten oft fehl am Platz und wahllos zusammengewürfelt. Man könnte meinen, dass die Kostüme bei einem Saison-Schlussverkauf im Faschingsgeschäft erstanden wurden. Das ergab oft sinnlose Bilder wie, Matrose trifft Frau im Anzug mit einem 80er Jahre Discohengst im Schlepptau. Die Choreographien waren weder aufwändig noch effektvoll. Bis auf einen jungen Tänzer, der aus der Gruppe herausstach, wirkte das Tanzensemble unmotiviert, träge und langweilig. Warum man gerade dem Tänzer mit Bierbauch ein bauchfreies Oberteil verpasst hat, bleibt weiterhin ein Rätsel, und ist wahrscheinlich das einzige, was man nach der Show in Erinnerung behält. Richtig peinlich wurde es aber erst, als die Gesangssolisten anfingen zu, nennen wir es mal tanzen. Abgesehen davon, dass eher die eigenen Füße beziehungsweise die des Nachbarn fokussiert wurden anstelle des Publikums, haben wir schon Großmütter in Altersheimen mit künstlichen Hüftgelenken gesehen, die sich energetischer bewegten als dieses Ensemble. Vor der Show wurde nochmals darauf hingewiesen, dass durchwegs live gesungen wird. Entweder wurden lauter Bauchredner gecastet, oder es wurde leicht geflunkert was das betrifft. Die Chorstimmen und Backingvocals kamen hörbar vom Band, was noch mehr dadurch hervorgehoben wurde, dass das Ensemble und die Tänzer manchmal die Lippen bewegten und dann wieder nicht. Der Klangteppich blieb dabei unverändert. Allgemein lässt sich sagen, dass es unter den Sängern gravierende Fehlbesetzungen gab. Am deutlichsten wurde dies bei Robert Wagner, der sich nicht nur altersmäßig von der restlichen Truppe abhob. Der klassisch ausgebildete Sänger, konnte sich nur schwer in den Musicalsound einfügen, und hatte im ganzen etwa 3 Gesten im Repertoire, die er in Dauerschleife wiederholte. Der Fairness halber möchten wir an dieser Stelle einräumen, wenn man einen Jazzsänger in eine Wagner Oper steckt, er seinem Ruf sicher auch nicht gerecht werden würde. Die Frauen konnten doch eher punkten als die Männer, wobei auch nur eine der Damen ansatzweise Musicalbelt beherrschte. Eine weitere versuchte es, aber mittendrin gab die Stimme auf. Angeblich gab es ein Regiekonzept, die Stagings wirkten aber eher, als hätten  die Darsteller bei einem gemütlichen Sonntagskaffee in groben Zügen durchgesprochen, wie diese ungefähr aussehen könnten. Den Höhepunkt der Peinlichkeit beanspruchte Martin Werth als er versuchte einen Teil von Jesus Christ Superstar als Rap neu zu interpretieren. Einziges Highlight war eine mehrstimmige a Capella Version von The Rose, die zumindest ansatzweise musikalische Anforderungen an die Sänger stellte. Ticketpreise bis zu 80 € sind bei dem, was einem geboten wird, keineswegs gerechtfertigt. Zu unserem Erstaunen scheint die Produktion dennoch beim Großteil des Publikums für Begeisterung zu sorgen, auch wenn die Ränge nicht annähernd zur Gänze gefüllt waren und einige Besucher die Show noch vor dem Ende verließen, Musicalkenner werden jedoch definitiv enttäuscht. Kurz gesagt scheint DIE NACHT DER MUSICALS für Schlagerhörer in fortgeschrittenem Alter, welche sich auch mal vom Genre Musical unterhalten lassen möchten, konzipiert zu sein. Für uns als Portal für professionelles Musical fällt die Produktion unter die Rubrik „Was man sich besser nicht ansehen sollte“. Das Jahr hat zwar erst begonnen, für uns ist die Show aber jetzt schon ein heiß gehandelter Favorit für den Preis "Schlechteste Produktion des Jahres".

Medien

Zugeordnete Datensätze

BezeichnungAufgabe / Typ
Die Nacht der MusicalsShow
Die Nacht der Klischees und platten Unterhaltung

Die Nacht der Klischees und platten Unterhaltung

14.01.2016
Kritik, Schweiz, Deutschland, Österreich