Wenn DAS „bizarre“ ist - dann bitte nicht!

Bizarre, im Deutschen: „bizarr", ist in der Tat ein interessantes Wort. Alleine anhand der Tatsache, dass als Synonym sowohl einzigartig, als auch absonderlich oder grotesk erlaubt ist, stellt sich die große Frage, was man damit genau meint. Der Hang zur negativen Bedeutungsgebung ist allerdings unübersehbar. Nun fragte man sich natürlich bereits im Vorfeld, was einen wohl erwarten mag, wenn das bedeutende Wort „Broadway“ - das Sinnbild des professionellen, qualitativen Musicals - in Zusammenhang mit dem Wort „bizarr“ fällt. Wir durften es erfahren.

Die Handlung ist zum Glück schnell erzählt und erheitert das Gemüt von Kindern sicherlich über alle Maße. Als fünf „Musicalcharaktere“, nämlich die furzende Sissi, ein bekifftes Hair-Girl, Velma Kelly als Dessous-Lady, die Möchtegern-Grizabella „Minky" (ein Kater - vorerst) und Graf Dracula höchstpersönlich, sich in die Obhut von Dr. Hubertus und dessen „Kampflesbe“ Schwester Jacky begeben - auf einer Schönheitsfarm in Sopron - wird es gar noch bizarrer. Während der österreichischen Kaiserin Laktoseintoleranz diagnostiziert wird, mausert sich der bleiche Graf Dracula zu einem waschechten Beachboy. Kater „Minky“ wird einer Geschlechtsumwandlung unterzogen, die Dessous-Lady kurz vor Ihrem körperlichen Komplett-Update wegen Steuerbetrugs verhaftet und Miss Hasch krallt sich die Krankenschwester.

Nun kann man wohl aus der Handlung durchaus erahnen, welches Genre das Stück damit bedienen möchte. Richtig: „Komödie“. In der Vorbereitung einer Komödie muss man jedoch etwas Essentielles beachten - das Timing und die perfekte Erarbeitung bzw. Besetzung der Rollen, denn die Aufgabe Schwächen aus dem alltäglichen Leben hoch dramatisch darzustellen, stellt man sich durchaus einfacher vor, als es ist.

Es ist zu einem großen Teil der Regiearbeit von Anita Todorov-Neuzil zu verdanken, dass der Abend zu einem der langatmigsten in unserer Redaktionsgeschichte wurde. Die Vorstellungsdauer hätte eine gefühlte halbe Stunde kürzer sein können, wären sämtliche Blackouts - wenn diese denn überhaupt kamen - sinnvoll genutzt worden. Das Stück wurde für das Publikum, so kann man sich das wohl gut vorstellen, in kleine Häppchen zerlegt, die allerdings den Appetit nach mehr, immer mehr schmälerten.

Es gab jedoch durchaus Lichtblicke in dieser Produktion. Allen voran Markus Pol, der in der Rolle des Grafen zwar gesanglich keine Glanzleistung abgab, jedoch mit der Gabe des komödiantischen Timings ausgestattet, das Publikum durchaus begeisterte. Oder er nahm seine Rolle als Vampir zu ernst, und saugte seinen Kollegen das meiste Talent noch vor der Vorstellung ab. Doch auch Michaela Vögerle spielte sich mit ihrer forschen Art und ihrer ganz besonders gelungenen Mimik, in die Herzen der Zuseher, und Michael Perner, in der Rolle des ur-professionellen Dr. Hubertus, der sich immerhin deutlich um seine Rollenfindung bemühte, konnte diese zum Großteil erfüllen. Dominique Lösch lieferte eine solide, wenn auch nur bedingt lustige, Performance ab.

Absoluter Tiefpunkt war Anita Todorov-Neuzils Darstellung eines Polizisten, der wohl in der Idee ein absoluter Macho hätte sein sollen, allerdings als Porno-Politesse mit Raucherstimme und Stock im Ar*** auf der Bühne ankam. Viktoria Miehl, in der Rolle der Sissi, hatte durchaus Glück, aufgrund der Folgen ihrer gespielten Laktoseintoleranz, mit erheblichem Magenproblemen im Ausmaß von Darmorkanen, ein Lacher beim Publikum zu sein. Man könnte allerdings auch meinen, dass die Lacher eher dem Tontechniker gebührten. Zu bemängeln ist hier hauptsächlich die schlechte Aussprache. Wenn die österreichische Kaiserin schon im Dialekt spricht, dann bitte bewusst und deutlich überspitzt - nicht privat. Nun fehlt noch Lena Steyer, die wir schon in verschiedenen Produktionen bewundern durften, sich hier allerdings scheinbar ihrem Schicksal fügte. Mitautor Benjamin Slamanig lieferte sowohl schauspielerisch als auch gesanglich keine Glanzleistung ab.

Ein tatsächliches Highlight war in jedem Fall Mag. Gabor Rivo, der die pianistische Untermalung des Abends gestaltete. Nur wenige Pianisten können alleine einen solchen Klangteppich erzeugen, wenn auch die eine oder andere falsche Taste durchaus hörbar war.

Für Lacher im Publikum, wenn auch peinlicher Natur, sorgte in dieser Produktion immerhin auch der Techniker, der, als Beispiel, auf einen Lichtqueue vergaß und durch die Darsteller mit einem „Blackout!“ darauf hingewiesen wurde. Es wurde hier scheinbar auch der Unterschied zwischen „Blackout" und „dimmen" nicht besprochen, denn beinahe jedesmal konnte man den Darstellern, während einem „Freeze“ am Ende einer Szene, zusehen, wie sie versuchen den Ärger über den nun folgenden fünf-sekündigen „Sonnenuntergang“ zu verbergen. Auch dies zerstörte so manche Szene.

Wir möchten noch, für schockierte Zuseher, klarstellen, dass diese Produktion definitiv nicht dem Musicalstandard in Wien entspricht. Bei einem Preis von bis zu € 28,- müssen wir manchen empörten Stimmen aus dem Publikum zustimmen, dass man den Abend leider durchaus als Zumutung bezeichnen kann. Mit einer professionellen Durchführung, oder zureichender Motivation, hätte man die Produktion mit Sicherheit angenehmer gestalten können.

Wer sich von der Produktion selbst ein Bild mache möchte, hat noch am 18. November 2016 ab 19.30 Uhr die Möglichkeit dazu. Vorstellungsort ist dann der Festsaal der Marktgemeinde Langenzersdorf. (Hauptplatz 9, 2103 Langenzersdorf)

Medien

Wenn DAS „bizarre“ ist - dann bitte nicht!

Wenn DAS „bizarre“ ist - dann bitte nicht!

25.10.2016
Premierenbericht, Österreich